Der Digitalisierungsgrad einer Nation oder Region hängt im Höchstmaß sowohl von politischen Entscheidungen ab als auch unternehmerischem Handeln – und nicht zuletzt einer digitalpositiv eingestellten Bevölkerung.
Zumindest der erste und letzte Punkt dieser drei Faktoren erklärt, warum Deutschland dort in Sachen Digitalisierung steht, wo es nun einmal steht – zwar im Mittelfeld der EU, aber hinter sich bis auf wenige Ausnahmen nur Staaten des ehemaligen Ostblocks.
Für diesen Artikel möchten wir dagegen positiver sein – und einige Staaten, respektive Regionen betrachten, die im weltweiten Vergleich ganz vorne stehen. Dazu wurden Daten mehrerer renommierter Rankings verglichen.
Hong Kong und Macau
Eines sei bereits verraten: Sowohl die Republik China (also Taiwan) als auch die Volksrepublik China stehen in digitalen Belangen nicht in den Top 10 der wichtigsten Betrachtungen – unter anderem liegen sie beim World Digital Competitiveness Ranking auf Platz 11 (Taiwan) und 17 (Volksrepublik).
Etwas anders sieht es jedoch bei den beiden Sonderverwaltungszonen Chinas aus, Hong Kong und Macau. Beide Gebiete gehören zwar formal zu China. Und selbst wenn Pekings Griff, insbesondere um Hong Kong, zuletzt deutlich fester geworden ist, so handelt es sich nach wie vor um Regionen mit sehr speziellen Freiheiten, die anderswo in China undenkbar wären.
- In Macau führte das zu einem Aufblühen als eine Stadt des Spiels; oft als Las Vegas Asiens bezeichnet, tatsächlich jedoch in Sachen Glücksspiel um mehrere Potenzen ertragreicher. Dies ist zugleich der wesentliche Treiber der Digitalisierung in der bis 1999 portugiesischen Kolonie – und wichtigster Wirtschaftsfaktor.
- In Hong Kong dagegen konnte vor allem die Tech-Branche aufblühen – wenngleich das Gebiet zuletzt von den vordersten Plätzen abrutschte. Da Hong Kong zudem erst 1997 wieder zu China gehört, wurde hier die digitale Verwaltung deutlich rascher und umfassender durchgeführt als in Mainland China.
Beide Sonderverwaltungszonen sind zudem fest in das Konzept der neuen Seidenstraße eingebunden. Insgesamt sieht ihre digitale Zukunft deshalb auf dem Papier gut aus – wenngleich zu erwarten ist, dass die digitale Freiheit dort ebenso mittelfristig absinken wird wie in Rest-China.
Südkorea
Lange Zeit nach Ende des Korea-Krieges (1950-1953) war Südkorea wirtschaftlich weniger erfolgreich als sein nördlicher Nachbar – und nur unwesentlich demokratischer. Doch wo das einstige digitale Musterland Japan heute in vielen Betrachtungen nur noch um den 30. Platz herum rangiert, ist Südkorea seit Jahren fest in den Top 10.
Seitdem die Demokratisierung dort in den 1990er Jahren einen kometenhaften Aufstieg erlebte, stieg ebenso die Digitalisierung steil an. Der Grund hinter letzterem ist ein schwer zu erfassender Mix aus
- enormer wirtschaftlicher Freiheit,
- einer sehr vorwärtsgewandten Reihe von Regierungen und
- einer Bevölkerung, die äußerst digitalaffin ist.
Die einzigartige Struktur von Südkoreas Wirtschaft tat ihr Übriges. Infrastrukturelle Hindernisse werden deshalb mit einem Tempo und einer Energie hinweggefegt, die insbesondere auf Deutsche geradezu unwirklich wirken können. Der 2020 beschlossene Korean New Deal als großer Plan für das Korea der Zukunft soll, so das Ziel, das Land bis 2030 endgültig an die digitale Weltspitze katapultieren.
Finnland
Auf Europa bezogen ist Finnland seit Jahren schon das Musterbeispiel für eine digitale Nation. Allerdings braucht sich das skandinavische Land definitiv nicht vor dem globalen Vergleich zu fürchten – wo es beispielsweise für die meisten Beobachter vor Südkorea liegt.
Schon Mitte der 00er Jahre führte man dort die digitale Patientenakte ein. Nokia war zu dem Zeitpunkt bereits seit Jahren der weltweit erfolgreichste Mobiltelefonhersteller – unter anderem. Längst ist selbst in den entlegensten Gebieten Lapplands 5G vorhanden und gilt Helsinki als nicht wirklich heimliche Europa-Hauptstadt der Tech-Startups.
Woran es liegt, erklärte die damalige und derzeitige finnische Botschafterin in Berlin, Anne Sipiläinen, in einem Interview mit dem Magazin der hannoverschen IHK:
„[…] Wir haben lange in die Ausbildung von Experten sowie in Forschung und Entwicklung, die digitale Infrastruktur und die Förderung von Innovationen auf diesem Gebiet investiert. […] Die Finnen sind traditionell offen für die Einführung neuer Technologien.
Neue Technologien – seit den ersten NMT-Handys von Nokia – haben trotz unseres abgelegenen Standortes, der großen Entfernungen und der geringen Bevölkerungsdichte in unserem Land vieles möglich gemacht. In den neunziger Jahren erließen öffentliche Entscheidungsträger Regeln zur Förderung der Digitalisierung, zugleich priorisierten Bildungseinrichtungen die Vermittlung von Fähigkeiten, die für ein globales digitales Unternehmen erforderlich sind.“
Letzten Endes also eine Mischung aus einzigartigen Standortfaktoren und abermals einer digitalpositiven Einstellung in weiten Teilen von Politik und Bevölkerung.
Singapur
Mit gerade einmal 730 Quadratkilometern Fläche und 5,7 Millionen Einwohnern liegt Singapur größenmäßig etwa mittig zwischen Hong Kong (größer) und Macau. Was allerdings die Digitalisierung anbelangt, ist das kleinste Land Südostasiens noch weiter vorn.
Einen wichtigen dafür verantwortlichen Teilaspekt sehen viele Beobachter in der Mischung aus sehr hoher Bevölkerungsdichte (knapp 8.000 pro Quadratkilometer) und einer Vielzahl an Kulturen und Charakteren, die dadurch zwangsweise miteinander interagieren – und zurechtkommen – müssen.
Noch bedeutender dürfte allerdings ein alle sozialen Schichten übergreifender, unbändiger Wille sein, sich diesen so kleinen Lebensraum zu einem perfekten Utopia zu gestalten. Singapur schaffte es in nur einer Generation, von einem Entwicklungsland zu einem der reichsten Staaten der Welt mit einer der höchsten Lebensqualitäten zu werden. Dadurch wurde die Digitalisierung quasi „nebenher“ als Automatismus mitentwickelt, da sie für das restliche Emporkommen so bedeutend war.
Der dritte Grund in diesem Bund: Eine extreme wirtschaftliche Freiheit, die aus manchen Blickwinkeln beinahe wie das Abbild eines anarchokapitalistischen Ideals wirkt – was noch interessanter wird, weil andere Seiten der Politik regelrecht drakonisch sind, etwa das Strafrecht. Seit Jahren schon steht Singapur in Sachen Deregulierung der Wirtschaft sehr weit vorn, lediglich noch von Hong Kong übertroffen – wobei hier nicht abzusehen ist, wie Pekings Maßnahmen sich in den kommenden Jahren auswirken werden. Die jüngsten Charts des Projekts Economic Freedom of the World stammen aus 2020.
Allerdings übertreibt es Singapur bei aller wirtschaftlichen Freiheit nicht mit der Deregulierung: Seit 2016 gibt es dort GovTech, eine Regierungsagentur mit weitreichenden Kompetenzen – die sich ausschließlich Digitalisierungsprojekten widmet und diese vorantreibt.
USA
Als größte Wirtschaftsnation des freien Westens zu Zeiten der Blockkonfrontation waren die USA automatisch dafür prädestiniert, schon in den Frühtagen von Computerisierung und Digitalisierung eine Führungsrolle zu spielen – allein über das, was in den Vereinigten Staaten bis 1960 in Sachen Forschung und Theorie geleistet wurde, könnte man ganze Bücherwände füllen; selbst wenn man die gesamte Vorgeschichte des ebenfalls amerikanisch-stämmigen Internets ausklammern würde.
Bis heute hat sich an diesem Standing nichts geändert. Es gibt zwar mit China einen großen wirtschaftlichen Konkurrenten, aber immer noch sind die USA eine der führenden Digitalnationen des Planeten. Hierbei sind die Gründe wahrscheinlich am vielfältigsten:
- Die generelle Arbeitskultur: In den USA sind „versuchen und scheitern“ in keinster Weise stigmatisiert, sondern werden im Gegenteil als mutig angesehen. Nicht zuletzt gibt es hierdurch eine sehr umfassende Basis von Wagniskapital.
- Deregulierung: Der Staat hält sich stark aus unternehmerischen Angelegenheiten heraus. Das gilt nicht nur in regulatorischer und administrativer Hinsicht, sondern ebenso in Sachen Besteuerung.
- Manpower: 333 Millionen Menschen leben nur in den USA. Ferner ist das Land hochinteressant für Gründer, Investoren, Studierende und andere Menschen von außerhalb. Diese Manpower sorgt unter anderem für eine geballte Kreativität und unternehmerischen Mut. Als Beweis genügt bereits ein Blick auf die wertvollsten Unternehmen der Welt und deren Herkunftsländer.
- Forschung: Die Vereinigten Staaten können sich rühmen, seit Jahrzehnten einige der weltweit führenden Universitäten und ähnlichen Forschungseinrichtungen zu haben.
- Wirtschaft und Rohstoffe: Die USA sind weltgrößter Importeur und zweitgrößter Exporteur. Ferner ist das Land sehr rohstoffreich. Das alles sorgt für eine hohe Leistungsfähigkeit, eben auch bei der Digitalisierung.
Hinzurechnen muss man zudem etwas, das sich nur unpräzise als „die amerikanische Art“ übersetzen lässt: In den USA gibt es eine sehr breite freiheitlich-patriotische Grundeinstellung. Zwar mag Ex-Präsident Trump den Slogan „America first“ ins Negative gezogen haben, aber tatsächlich umschreibt er sehr gut eine Philosophie, die dort viele Menschen motiviert.
Für viele Amerikaner ist die Vorstellung ein Gräuel, in irgendeiner Disziplin von anderen vorgeführt zu werden. Erst recht, wenn sie ur-amerikanisch ist, wie es ebenfalls die Digitalisierung ist. Es besteht deshalb ein sehr starker Wille, immer besser zu sein und diesen Status beizubehalten. Dadurch dürfte ein Ranking so weit vorne auf unabsehbare Zeit gesichert sein.
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